AIS ist die Abkürzung von Automatic Identification System oder auch Universal Automatic Identification System (UAIS) genannt. Es handelt sich hierbei um ein (universelles) Automatisches Identifikationssystem welches durch den Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit u.a. zur Kollisionsverhütung sowie die Lenkung des Schiffsverkehrs verbessert. Es wurde am 6. Dezember 2000 von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als verbindlicher Standard angenommen.
Auf einer digitalen Wasserstrassenkarte wird die eigene Schiffsposition und die Position der umliegenden Schiffe angezeigt. Aus Position, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit kann intuitiv abgeschätzt werden, ob der eigene Kurs sicher ist oder ob eine Kollisionsgefahr besteht. Hochwertige Geräte können eine Kollisionsgefahr und die verbleibende Zeit bis zum Zusammentreffen berechnen und kollisionsverhindernde Maßnahmen vorschlagen.
Da auch die Schiffsdaten (Schiffsname, MMSI-Nummer, etc.) übermittelt werden, kann der Schiffsführer (z.B. Kapitän, Lotse od. Steuermann) über Funk direkt mit ihnen Kontakt aufnehmen. AIS funktioniert auch, wenn zwischen zwei Schiffen flaches Land liegt, beispielsweise hinter einem Kap oder hinter einer Flusskurve. AIS stellt Schiffsbewegungen genau so dar, wie sie in Wirklichkeit zu sehen sind (im Gegensatz zur Radarbeobachtung bei der die Schiffsbewegung relativ dargestellt und wesentlich schwieriger auszuwerten ist).
Ausrüstungspflicht
Seit dem 1. Januar 2004 sind im Seeverkehr alle Berufsschiffe über 300 BRZ in internationaler Fahrt und seit dem 1. Juli 2008 auch solche über 500 BRZ in nationaler Fahrt verpflichtet, eine AIS-Anlage zu betreiben. Auch Schiffe, die länger als 20 m sind oder mehr als 50 Passagiere an Bord haben, müssen mit einer AIS-Einheit ausgerüstet sein. Die Ausrüstungspflicht wurde für Schiffsneubauten zum 1. Juli 2002 und für vorhandene Schiffe ab 2004 eingeführt.[1] Für Passagierschiffe, Fähren, Frachter und Tanker legte die IMO unterschiedliche Übergangszeiten fest.
Inder Türkei wird gerade eine Ausrüstungspflicht für Sportboote diskutiert.
Für Binnenschiffe (ausgenommen Kleinfahrzeuge) besteht seit dem 1. Juli 2008 auf dem österreichischen Teil der Donau zwischen den Stromkilometern 1880,2 und 2199,3 und einigen angrenzenden Gewässern eine Ausrüstungspflicht mit Inland AIS Transpondern.[2]
Anlagen
Klasse A-Transponder - Diese sind für Schiffe der Berufsschifffahrt vorgesehen, beispielsweise für Frachtschiffe oder große Passagierschiffe. Klasse A-Transponder übertragen mit einer höheren VHF-Signalstärke als Klasse B-Transponder und können daher von weiter entfernten Schiffen empfangen werden und außerdem häufiger senden. Klasse A-Transponder sind Vorschrift auf allen Fahrzeugen über BRZ 300 in internationaler Fahrt und bei bestimmten Passagierschiffen, die dem SOLAS-Übereinkommen unterliegen. Der Sender passt die Wiederholfrequenz der Aussendung der Fahrtgeschwindigkeit und der Manöversituation an.
Inland AIS Transponder - Inland AIS Transponder sind für mit AIS Transponder ausgerüstete Schiffe auf dem Rhein vorgeschrieben, falls es sich nicht um ein Seeschiff handelt.[3] Die Geräte entsprechen Class A-Transpondern mit Erweiterungen für die Binnenschifffahrt.[4]
Klasse B-Transponder - Sie sind in vielerlei Hinsicht mit Klasse A-Transpondern vergleichbar, sind aber aufgrund weniger strikter Leistungsanforderungen in der Regel kostengünstiger. Klasse B-Transponder übertragen mit einer niedrigeren Signalstärke und einer niedrigeren Melderate. Sie können von allen nicht ausrüstungspflichtigen Schiffen z. B. im Freizeitbereich und in der Fischerei verwendet werden. Klasse B-Transponder nutzen leere Zeitfenster der Klasse A.
AIS-Basisstationen - AIS-Basisstationen werden von Schiffsverkehrssystemen verwendet, um die Übertragung von AIS-Transpondern zu überwachen und zu steuern.
AtoN-Transponder (Aids to Navigation) - AtoNs sind Transponder, die auf Tonnen (Bojen) und anderen möglichen Gefahren und Hindernissen für die Schifffahrt montiert werden, und Details ihrer Position an sich in der Umgebung befindliche Schiffe übertragen.
AIS-Empfänger - AIS-Empfänger empfangen Übertragungen von Klasse A-Transpondern, Klasse B-Transpondern, AtoNs und AIS-Basisstationen, übertragen jedoch keine Informationen zu dem Schiff, auf dem sie installiert sind.
Technik
AIS sendet abwechselnd auf zwei Kanälen im UKW-Seefunkbereich:[5]
- AIS 1 - 161,975 MHz
- AIS 2 - 162,025 MHz
Die Aussendung der AIS-Daten erfolgt in einem festen Zeitrahmen. Pro Minute stehen 2250 Zeitschlitze (Slots) zur Verfügung, auf die ein AIS-Transponder über seinen integrierten GPS-Empfänger synchronisiert wird. Class A Transponder stimmen die Slot-Belegung selbständig mit in Funkreichweite befindlichen anderen ab (SOTDMA=Self Organising Time Division Multiple Access), während Class B Transponder freie Zeitschlitze verwenden, um ihre Daten zu senden (CSTDMA=Carrier Sense Time Division Multiple Access).Antenne kann jede für das UKW-Seefunkband abgestimmte Antenne verwendet werden. Besonders geeignet sind spezielle kombinierte UKW/GPS Antennen für AIS, die beide für einen AIS-Transponder erforderlichen Antennen in einer Baugruppe enthalten.dynamischen Schiffsdaten (LAT, LON, COG, SOG, UTC) erhält der AIS-Transponder vom integrierten GPS-Empfänger, bei Class A auch von der Navigationsanlage des Schiffes. Die Kursrichtung (Heading) kann über eine NMEA-183 Schnittstelle vom Kompass als HDG-Datensatz eingespeist werden.
Pilot Port - Ausrüstungspflichtige Schiffe müssen über Class A Anlagen mit einem Pilot Port verfügen, eine standardisierte Datenschnittstelle nach EIA-422 an gut zugänglicher Stelle, die es z. B. Lotsen erlaubt, mit eigener Ausrüstung auf Verkehrslage- und eigene Navigationsdaten zuzugreifen. Aufgrund fehlerhafter Installation auftretende Fehler in der Anschlußbelegung des Steckers können meist durch im Handel erhältliche Untangler ohne Eingriff in die Bordinstallation korrigiert werden.
Schiffsdaten
Die AIS-Einheit sendet schiffsspezifische Daten, die von jedem AIS-Empfangsgerät in Reichweite empfangen und ausgewertet werden können:
Statische Schiffsdaten:
IMO-Nummer
Schiffsname
Rufzeichen
MMSI-Nummer
Schiffstyp (Frachter, Tanker, Schlepper, Passagierschiff, SAR, Sportboot u. a.)
Abmessungen des Schiffes (Abstand der GPS-Antenne von Bug, Heck, Backbord- und Steuerbordseite)
Dynamische Schiffsdaten:
Navigationsstatus (unter Maschine, unter Segeln, vor Anker, festgemacht, manövrierunfähig u. a.)
Schiffsposition (LAT, LON, in WGS 84)
Zeit der Schiffsposition (nur Sekunden)
Kurs über Grund (COG)
Geschwindigkeit über Grund (SOG)
Vorausrichtung (HDG)
Kursänderungsrate (ROT)
Reisedaten:
aktueller maximaler statischer Tiefgang / dm
Gefahrgutklasse der Ladung (IMO)
Reiseziel (UN/LOCODE)[6]
geschätzte Ankunftszeit (ETA)
Für Inland-AIS kommt noch dazu:
ENI-Schiffsnummer
Verbandsdaten (Gattung ERI, Länge, Breite)
Gefahrgutklasse der Ladung
Tiefgang / cm
Beladungszustand
Fahrwasserseite links/rechts (Blaue Tafel)
max. Höhe über Wasser
Zahl der Crewmitglieder
Zahl der Passagiere
Zahl des Schiffspersonals
Der Navigationsstatus und die Reisedaten müssen von dem WO manuell aktualisiert werden. Es müssen aber nicht alle Daten gesendet werden. Besonders bei Klasse B Sendern der Sportschiffahrt werden häufig nur Schiffsname, MMSI, Position, Kurs und Schiffsgröße gesendet.
Senden der AIS-Daten
Die AIS-Signale werden auf zwei UKW-Seefunkkanälen (normalerweise auf AIS1 und AIS2, d. h. UKW-Kanal 87B und 88B mit den Frequenzen 161,975 MHz und 162,025 MHz) mit HDLC Datenprotokoll in festem Zeitrahmen gesendet. Durch entsprechende Software oder Endgeräte werden die Daten dekodiert und z. B. als Textinformation oder ähnlich in einem Radarbild grafisch dargestellt.
Die Intervalle, in denen ein Schiff seine Daten aussendet, hängen von der Mobilität ab, d. h. von Geschwindigkeit und Kursänderungsrate ab.
Verarbeiten der AIS-Daten
Neben den übermittelten Daten werden vom Programm auch die eigenen Daten ausgewertet.
Die aktuelle Verkehrssituation wird dynamisch angezeigt, jede Schiffsbewegung ist auf dem Bildschirm sichtbar. Zusätzlich wird angezeigt, wann genau zwei sich begegnende Schiffe den kürzesten Abstand zueinander haben, wie groß dieser sein wird, und wie lange es bis dahin noch dauert.
Der Vorteil vom AIS gegenüber dem Radar ist unter anderem, dass der wachhabende Offizier die Identität anderer Schiffe kennt und bei Manövern Kurs- und Geschwindigkeitsänderungen schnell automatisch übermittelt werden. Damit kann er auch direkt über Seefunk Kontakt aufnehmen und notwendige Manöver absprechen.
Mit AIS können während der Revierfahrt auch Schiffsbewegungen hinter größeren Hindernissen erfasst werden; das Radar ist in solchen Situationen oft überfordert, da Schiffe im Radarschatten nicht erfasst werden. Die UKW-Signale des AIS erreichen diese Schattenbereiche auf Grund der größeren Wellenlänge wesentlich besser. In Binnenwasserstraßen werden in für Funksignale abgeschotteten Kurven Transponder aufgestellt, die die AIS-Signale auch über Berge weiterleiten.
Die Schiffsdaten können direkt in die elektronische Seekarte (ECDIS, Electronic Chart Display and Information System) eingebunden werden oder durch eine separate AIS-Software auf dem Computer verarbeitet werden, um sämtliche Schiffsbewegungen einschließlich der eigenen Position darzustellen. Eine separate Software bietet häufig eine klarere Darstellung, die Anzeige zusätzlicher über AIS verbreiteter Daten (in Erprobung: Wettermeldungen, Wasserstände) und bessere Unterstützung bei Kollisionsgefahr.
Kleinere, nicht ausrüstungspflichtige Seefahrzeuge können die AIS-Daten mit preiswerten AIS-Empfängern passiv nutzen, und Position, Kurs und Geschwindigkeit der sie umgebenden ausgerüsteten Schiffe anzeigen. Die empfangenen Daten können auf einem kleinen Bildschirm am Empfänger, auf einem dafür eingerichteten vorhandenen Kartenplotter oder mit geeigneter Software auf einem separaten Laptop/Rechner dargestellt werden. Sie können so rechtzeitig Ausweichmanöver bei Kollisionsgefahr, insbesondere bei schlechter Sicht, einleiten.
AIS kann aber keine Radaranlage ersetzen, da etwa Militärfahrzeuge oft keine AIS-Signale aussenden und viele kleinere Fahrzeuge nicht mit einem AIS Transceiver ausgerüstet sind.
Reichweite
Ultrakurzwellen haben eine Reichweite, die die geometrische Sichtweite nur wenig übersteigt. Für Schiff-zu-Schiff-Verbindungen beträgt diese etwa 20 Seemeilen (37 km). Küstenstationen empfangen je nach Antennenhöhe Signale von Schiffen im Umkreis von 50 100 km. Niedrig fliegende Satelliten sollten die UKW-Signale empfangen können, sofern die Antennen auch nach oben (omnidirektional) strahlen. Orbcomm rüstet seine neuen Satelliten mit AIS-Empfängern aus. Ist der Test erfolgreich, könnte das System weltweit alle Schiffe erfassen.
Im November 2009 wurde am europäischen Teil der ISS, dem COLUMBUS Modul, eine AIS Empfangsantenne installiert. Seit dem 1. Juni 2010 laufen im Rahmen einer ESA-Studie Empfangsversuche mit verschiedenen AIS Empfängern. Störenden Signalüberlagerungen auf Grund der großen Entfernung des Funkhorizontes wird mit speziellen Signalverarbeitungstechniken begegnet.[7][8).
Flugzeug, Seezeichen, Landstation
Außer Schiffen sind im AIS auch eingebunden:
- SAR-Luftfahrzeuge
- Seenotmarkierungssender (AIS SART - Search and Rescue Transmitter)
- einige Seezeichen (Aids to Navigation / AtoN)
- Pegel und Wetterstationen
- Landstationen der Verkehrsüberwachung (VTS)
Kurzmeldungen, Verkehrslenkung
Über das AIS können auch von der IMO festgelegte Kurzmeldungen und freie Textnachrichten übertragen werden, so dass z. B. die automatischen Messstationen auf Seezeichen aktuelle Wetter-, Wasserstands- und Strömungsdaten verbreitet werden können oder Routenanweisungen an Schiffe geschickt werden können. Auf Flüssen und Kanälen, insbesondere im Bereich von Schleusen und Engstellen, wird das AIS zunehmend zur Verkehrslenkung eingesetzt, um beispielsweise die Öffnung der Schleuse anzuzeigen.
Kapitäne gucken um die Ecke
Die „Leo Sympher“ ist ein Pilot-Projekt-Schiff. Das Bereisungsschiff des Wasser- und Schifffahrtsamts (WSA) Verden ist eines von etwa 100 Schiffen, das im Rahmen eines Testlaufs mit dem neuen AIS (Automatic Identification System, zu deutsch automatisches Identifikationssystem) ausgerüstet wurde.
Die Mittelweser zwischen Bremen und Minden ist Erprobungsgebiet des Projekts des Bundesministeriums für Verkehr.
Die Tester haben an Bord Transponder, die Daten des Schiffs an andere Verkehrsteilnehmer übermitteln – etwa den Namen und die Ausmaße sowie den Standort und die Geschwindigkeit – und die gleichen Informationen auch von diesen bekommen. Was das bedeutet und wozu es gut sein soll, zeigt ein Blick auf die Brücke zu Schiffsführer Karl-Heinz Gutsch. Wie ein Navigationssystem für Schiffe wirkt der große Bildschirm vor Gutsch. Der zeigt den Verlauf der Weser und der 2,80 Meter tiefen Fahrrinne an, den Standort der „Leo Sympher“ und anderer Schiffe mit Transpondern. Ähnliche Systeme sind in den Küstengebieten bereits etabliert.
Da noch nicht alle Schiffe mit dem System ausgerüstet seien, könne man sich natürlich noch nicht allein auf AIS verlassen, wenn man die Weser befahre, erklärt Thomas Rumpf, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts. Aber etwa wenn sich zwei Kapitäne unterschiedlicher Nationalitäten an einer Stelle begegneten, die nicht zwei Schiffe gleichzeitig passieren dürfen (und davon gibt es zwischen Bremen und Minden einige), sei es hilfreich, genau zu wissen, wo sich der andere befinde. Mit dem AIS könne man auch, anders als mit dem Radar, „um die Ecke schauen“ und so vorausschauend fahren. mehr
Quelle Wikipedia
"Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Automatic Identification System aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar."