Banner SchiffundTechnik

Hafen Salzgitter-Beddingen

von Reinhard Försterling / Manfred Märländer

Hafen SZ-Beddingen 2012

Hafen SZ-Beddingen 2012

Im Reichsgesetzblatt vom 17. Dezember 1937 wurde das Gesetz über den Stichkanal nach Bleckenstedt-Hallendorf veröffentlicht. In der Begründung zu diesem Gesetz heißt es: „Die Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten 'Hermann Göring' beabsichtigen im Lande Braunschweig bei Bleckenstedt-Hallendorf ein Hüttenwerk zur Verarbeitung deutscher Erze aus dem Harzvorland T.U errichten."

Die für die Verhüttung erforderliche Kohle und die sonstigen für den Betrieb und den Werkbau erforderlichen Stoffe sollten größtenteils auf dem Wasserweg herangebracht und andererseits die fertigen Produkte vom Werk aus auf diesem Weg verfrachtet werden. Um das Hüttenwerk an den Wasserweg anzuschließen, war der Bau eines etwa 15 km langen Stichkanals und die Anlegung eines Hafens von 3 km Länge am Ende des Kanals erforderlich. Die Aufsicht über den Bau des Stichkanals samt Hafenbecken hatte die Reichswasserstraßenverwaltung. Da die Arbeiten für den Stichkanal sofort aufgenommen werden mußten und mit dem Baubeginn nicht bis zur Verabschiedung des Reichshaushalts für 1938 gewartet werden konnte, wurden die dem Reich zur Last fallenden Baumittel vorläufig außerhalb des Reichshaushaltsplanes bereitgestellt. Mit dem Gesetz über den Stichkanal wurde dieser zur Reichswasserstraße erklärt.

Hafen Salzgitter-Beddingen

Hafen Salzgitter-Beddingen

Die Gesetzgeber bezweifelten, ob der für das Bauvorhaben benötigte Grund und Boden im Wege des freihändigen Ankaufs erworben werden konnte und legten im Paragraphen 2 des Gesetzes fest, daß die Durchführung der für das B au vorhaben notwendigen Enteignungen nach den braunschweigischen landesrechtlichen Vorschriften erfolgen sollte, da es noch kein reichseinheitliches Enteignungsrecht gab.

In die für den Mittellandkanal geltende Regelung, daß die Fortbewegung von Fahrzeugen nur von dem Reichsschleppdienst vorgenommen werden durfte, wurde auch der Stichkanal einbezogen. Der zu erwartende starke Verkehr auf dem Stichkanal und dessen enger Zusammenhang mit dem Mittellandkanalverkehr machte eine einheitliche Regelung der Verkehrsverhältnisse erforderlich.

Hafen Salzgitter-Beddingen

Hafen Salzgitter-Beddingen

Nach einer Erklärung des Reichsverkehrsministers vom 31. August 1937 sollte der Stichkanal in 2¼ Jahren betriebsfertig sein. Diese Zusage war allerdings unter der Voraussetzung gemacht worden, daß für die Lieferungen und Leistungen zum Bau des Stichkanals von den zuständigen Stellen dieselbe Dringlichkeit anerkannt wurde wie für die Anlage des Hüttenwerkes. Probleme ergaben sich jedoch in der Erfüllung der Arbeiteranforderungen der am Bau des Stichkanals beteiligten Firmen. Von Beginn der Arbeiten bis Ende Oktober 1938 waren infolge des dauernden Mangels an Arbeitskräften rund 169 000 Tagewerke verlorengegangen, fast 30 % des nach den Arbeitsplänen vorgesehenen Solls. Hinzu kam die ungenügende Versorgung mit Geraten und Baustoffen. Infolge der Schwierigkeiten bei der Zementbeschaffung traten beim Bau der Schleusen Wedtlenstedt und Üfingen Verzögerungen ein.

In der Sitzung des erweiterten Generalrates für den Vierjahresplan am 14. Oktober 1938 unter Vorsitz von Generalfeldmarschall Hermann Göring wurde daher die Forderung erhoben, „daß der Bau des Stichkanals vom Mittellandkanal zu den Reichswerken Hermann Göring mit erhöhter Kraft durchgeführt werden müsse". Während der Besprechung zum Erstellen einer Dringlichkeitsliste der Bauvorhaben im Aufbaugebiet der Reichswerke am 20. September 1939 gab der Vertreter des Wasserstraßen-Neubauamtes Braunschweig als Termin für die Fertigstellung des Stichkanals und des provisorischen Hafenabschlusses den 1. April 1940 an .

Hafen Salzgitter-Beddingen

Hafen Salzgitter-Beddingen

Doch auch dieser Termin konnte nicht gehalten werden. Ende Januar 1940 überprüfte das Wasserstraßen-Neubauamt Braunschweig nochmals die Frage einer beschleunigten Fertigstellung . Es wurde davon ausgegangen, Stichkanal und Hafen nach Einsetzen von durchgreifendem Tauwetter innerhalb einer Bauzeit von 20 Wochen betriebsfertig herzustellen. Voraussetzungen für die Einhaltung dieser Frist waren, daß die Bauarbeiten ohne Unterbrechungen und ungehindert durchgeführt werden konnten, Betriebs- und Baustoffe rechtzeitig geliefert wurden, eine rechtzeitige Zuweisung der von den Baufirmen beim Arbeitsamt angeforderten Arbeitskräfte erfolgte und die Verdunkelungsvorschriften bei der Durchführung der Bauarbeiten, insbesondere der Rammarbeiten, gelockert wurden.

Mitte Februar ging das Wasserstraßen-Neubauamt von einer Frist von 22 Wochen nach Beendigung des Frostes aus. Zum Auffüllen des restlichen Kanals einschließlich des Hüttenhafens und dem Erproben der Schleusen wurden weitere zwei Wochen hinzugezählt, so daß damit gerechnet wurde, daß der erste Kahn ungefähr ein halbes Jahr nach Beendigung des Frostes die Hütte erreichen werde. Mit der Füllung der mittleren Haltung des Stichkanals zwischen den beiden Schleusen Wedtlenstedt und Ufingen war am 25. Juli 1940 begonnen worden und sechs Tage später war die Haltung gefüllt. Am 10. August wurde der Probebetrieb mit gewerblicher Schifffahrt auf dem Stichkanal bis zum unteren Vorhafen der Schleuse Ufingen aufgenommen7.

Die Füllung der oberen Haltung von der Schleuse Ufingen bis zum Sperrdamm bei Kilometer 17,3 war für den 18. Oktober 1940 vorgesehen. Die Vorbereitungen waren getroffen und am Vortag die obere trockene Haltung nochmals eingehend von Vertretern der Wasserstraßendirektion besichtigt worden. Am Abend des 17. Oktober forderte das Luftverteidigungskommando 8 in Hannover, die Füllung um zwei Tage zurückzustellen, damit das Luftgaukommando XI in Hamburg die Sachlage nochmals überprüfen könne . Am 19. Oktober gegen 14 Uhr wurde mitgeteilt, daß das Luftgaukommando seine Bedenken zurückgestellt habe. Zwei Stunden später wurde mit der Füllung begonnen, bis um 19 Uhr die Meldung eintraf, daß nach neueren Mitteilungen aus dem Reichsverkehrsministerium die Sachlage immer noch nicht geklärt sei und daher der Pumpbetrieb sofort eingestellt werden müßte . Bis dahin waren zwischen 100 000 und 120 000 m Wasser in der oberen Haltung eingepumpt, die den Kanal schätzungsweise mit 10 cm Wasser füllten, das bis zur weiteren Klärung wieder entfernt werden mußte.

Sechs Tage später, am 25. Oktober, fand im Wasserstraßen-Neubauamt Braunschweig eine Besprechung wegen der Füllung des Stichkanals oberhalb der Schleuse Ufingen bis zum Kilometer 17,3 statt. An ihr nahmen teil: jeweils ein Vertreter des Reichsverkehrsministeriums, des Luftverteidigungskommandos 8 in Hannover, des Luftgaukommandos XI in Hamburg, der Wasserstraßendirektion in Magdeburg, des Wasserstraßen-Neubauamtes sowie die Werkluftschutzbeauftragten der Industrie- und Handelskammer Braunschweig und der Reichswerke AG. Der Vertreter des Luftgaukommandos teilte mit, „daß Reichsmarschall Göring mit der Füllung des Stichkanals nach Tarnung einverstanden sei" . Für die Tarnung kam nur eine Überspannung mit Drahtseilnetzen und deren Überdeckung mit Schilfmatten in Frage. Mit der Ausführung dieser Arbeiten hätten 500 Mann bei zehnstündiger Arbeitszeit 450 Tage beschäftigt werden müssen. Und auch wegen der erheblichen Baustoffmengen (800 t Stahl, 3000 m3 Holz) kam diese Tarnung nicht in Frage". Am 19. November begann die erneute Füllung der oberen Haltung des Stichkanals.

Am 2. Dezember 1940 passierte erstmals ein Schleppzug, vom Mittellandkanal kommend, mit drei Schiffen und einer Ladung Feinkohle für die Kokerei den mit bunten Wimpeln geschmückten Eingang zum Vorhafen bei Beddingen. Der Schleppzug hatte bis dahin vor der Schleuse Ufingen gelegen und war am frühen Morgen durchgeschleust worden . Kurz darauf legte der erste Kohlenkahn H 406 ALBATROS am Kai an und wurde am Kohlenlager der Kokerei entladen. Fortan wurden alle wichtigen Güter auf dem Wasserwege zur Hütte transportiert, das heißt Kohle aus dem Westen nach Salzgitter und Erz aus den Salzgittergruben zu den Hütten im Westen. Neben Mischversand wurden auch Produkte der Steine & Erden GmbH auf dem Binnen- und Seeweg (Ostsee) nach Ost- und Westpreußen verschifft. Die Abwicklung der Wassertransporte hatten die Reichswerke ihrer Abteilung „Schifffahrt" mit Sitz in Beddingen übertragen. Bis Mitte Juli 1941 wurden 901 2001 Kohle, 852 2001 Erz und 58 000 t sonstige Güter umgeschlagen13.

Die Versorgung der Binnenschiffer in Beddingen wurde dem Kolonialwarengeschäft Julius Vahlberg von der „Deutschen Arbeitsfront, Fachamt Energie - Verkehr - Verwaltung, Fachgruppe Binnenschifffahrt und Wasserbau" übertragen. Im Mai 1942 teilte die Fachgruppe den Schiffereinkaufsgeschäften mit, daß Klagen von Schiffern, Schifffahrtsfirmen und dem Reichsschleppdienst über die mangelhafte Versorgung an Sonn- und Feiertagen eingegangen seien. Die Schiffereinkaufsgeschäfte wurden, da sie und die Proviantbootfahrer seit Kriegsbeginn ausschließlich die Binnenschiffer versorgten, verpflichtet, ihre Geschäfte auch an Sonn- und Feiertagen zu gewissen Zeiten geöffnet zu halten.

Im Stichkanal war Mitte Februar 1941 ein allgemeines Fischsterben zu beobachten. Verantwortlich dafür machte das Wasserstraßen-Neubauamt die Reichswerke und stellte in einem Schreiben vom 26. Februar fest: „Das Kanalwasser, das bei der Füllung des Hafens vollkommen rein und klar war, ist jetzt zu einer undurchsichtigen, schwarzen, stinkigen Brühe geworden. Gegenstände, die 20 Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegen, sind nicht wehr zu erkennen. Den Reichswerken wurde ein generelles Einleitungsverbot erteilt - bisher war ihnen die Regenwassereinführung erlaubt gewesen -, und sie wurden darauf hingewiesen, daß sie für alle Ansprüche einzutreten hätten, die gegen die Reichswasserstraßenverwaltung aus diesem Grunde erhoben werden sollten, weil Dritte in der Ausübung der ihnen gestatteten Benutzung des Kanalwassers gehindert oder beeinträchtigt würden. Die Reichswerke führten die Verschmutzung, die für sie nicht so gravierend war wie für die Reichswasserstraßenverwaltung, darauf zurück, daß infolge eines Luftangriffes der Regenwasser- und der Schmutzwasserkanal Verbindung bekommen hätten, „so daß für ganz kurze Zeit der Inhalt des Schmutzkanals, der allerdings giftige Stoffe, zum Beispiel Phenol, enthält, in den Regenwasserkanal und von dort in den Hafen und damit in den Stichkanal gelangt ist"16. Inwieweit diese Erklärung den Reichswerken abgenommen wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Allerdings erreichten die in der Folgezeit genommenen Wasserproben nicht wieder die hohen Verunreinigungswerte vom Februar 1941.

Der Schleppbetriebshafen

Bei Kanälen, auf denen das Schleppmonopol eingeführt war, mußten für den Reichsschleppdienst Schleppbetriebshäfen, Liegestellen und ähnliche wasserbauliche Anlagen erstellt werden. Auf Anregung des Schleppamtes Hannover war vor dem Hafen der Hütte ein besonderer Schleppbetriebshafen von 250 m x 50 m für Schlepper der Schleppmonopolverwaltung, die hier stationiert werden sollten, vorgesehen. Die Ufer dieses Hafens sollten mit senkrechten Wänden hergerichtet werden.

Im Januar 1939 war die Lage des Schleppbetriebshafens endgültig festgelegt, und die Reichswerke hatten sich schriftlich mit der Lage einverstanden erklärt. Danach „ liegt der Hafen mit seiner Mündung etwa 400 Meter nördlich des Ortsrandes von Beddingen und am Beginn der Erweiterung des Kanals zum Vorhafen der Hafenanlage der Reichswerke. Das Hafenbecken erstreckt sich östlich des Kanals in nördlicher Richtung . Durch Bohrungen wurde festgestellt, daß die ebenso ungünstig waren wie bei der zunächst vorgesehenen Lage südlich Beddingens. So kam auch hier für die Einfassung der Ufer nur eine verankerte eiserne Spundwand in Frage. Im Mai 1939 erstellte das Schleppamt Hannover einen Kostenüberschlag für die Ausrüstung des Schleppbetriebshafens Beddingen, der sich auf 715 000 RM belief .

Nach dieser Aufstellung sollten im Schleppbetriebshafen zunächst rund 50 Schlepper beheimatet sein, die im Hafen mit den notwendigsten Betriebsstoffen ausgerüstet werden sollten. Des weiteren mußte es ermöglicht werden, die Maschinenanlagen während der Ruhetage nachzusehen und zu überholen sowie laufende Unterhaltungsarbeiten an den Schleppern durchzuführen. Deshalb war für die Beaufsichtigung und Durchführung der maschinentechnischen Arbeiten eine Maschinenbetriebsstelle unter Leitung eines Maschinenbetriebsleiters vorgesehen. Grundüberholungen und größere Ausbesserungsarbeiten sollten dagegen grundsätzlich den Wasserstraßen-Maschinenämtern vorbehalten bleiben. Die Leitung des Schleppbetriebes sowie die Bearbeitung der Personalfragen der im Schleppbetriebshafen beheimateten Schlepper sollten von einer Schleppbetriebsstelle unter Leitung eines Schleppbetriebsleiters wahrgenommen werden.

Für die Durchführung der betrieblichen Aufgaben des Schleppbetriebshafens waren nach Auffassung des Schleppamtes Hannover folgende Betriebsanlagen und Werkhochbauten notwendig:
- eine Bekohlungsanlage (für die Bedienung des Verkehrs der Reichswerke waren zunächst die mit Braunkohlenschwelkoks fahrenden Gasschlepper vorgesehen; der Braunkohlenschwelkoks konnte mit verhältnismäßig kurzer Vorfracht auf dem Eisenbahnwege dem Schleppbetriebshafen zugeführt werden. Zum 1. Mai 1940 sollte der Übergabebahnhof für die Reichswerke, östlich der Straße Beddingen Geitelde, fertiggestellt sein. Von hier aus sollte eine Verbindungsmöglichkeit zur Bunkeranlage des Schleppereibetriebshafens geschaffen werden),
- ein Gebäude mit Büroräumen für die Schleppbetriebsstelle und Sozialräumen für die Schlepperbesatzungen, das auf der vorderen Spitze der Hafenzunge errichtet werden sollte,
- Lager und Werkstätten (Schmiede, Schlosserei, Elektrowerkstatt) zur Instandhaltung der Schlepper.

Die Anlagen und Werksgebäude mußten mit Strom und Gas versorgt und so angeordnet werden, daß die mit dem Anwachsen des Verkehrs der Reichswerke notwendigen Erweiterungsbauten laufend vorgenommen werden konnten.

Im Februar 1940 kamen am Schleppbetriebshafen zwei Hochbaulose zur Ausschreibung. Los I umfaßte das Schleppbetriebsgebäude mit etwa 1850 m umbauten Raum, Los II a und b das Magazin- und Werkstattgebäude mit 1460 m3 bzw. 2315 m3 umbauten Raum. Die Arbeiten erhielt das Baugeschäft Heinrich Hantelmann, Braunschweig. Die in Rüningen untergebrachten 41 Gefolgschaftsmitglieder der Firma wurden täglich mit dem Bus zur Baustelle Schleppbetriebshafen transportiert.

Nach einem Bericht des Wasserstraßen-Neubauamtes vom 23. Juli 1940 gerieten die Restarbeiten im Schleppbetriebshafen wegen Arbeitermangel in Verzug. Dieser sollte aber durch die Zuweisung erster Kriegsgefangener für den Bau des Stichkanals behoben werden . Bei Inbetriebnahme des Kanals waren im Schleppbetriebshafen Beddingen längst noch nicht alle Anlagen und Gebäude erstellt. Erst im April 1941 wurde der Firma Heinrichs in Abbesbüttel der Auftrag zur Herstellung eines Brunnens für die Wasserversorgung des Schleppbetriebshafens Beddingen erteilt .

Am 20. November 1939 teilte der Reichsverkehrsminister dem Oberpräsidenten der Wasserstraßendirektion Münster mit, daß er im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen damit einverstanden sei, daß sich der Reichsschleppbetrieb zur Schaffung von zunächst 100 Wohnungen für die Besatzungen der im Schleppbetriebshafen Beddingen beheimateten Schlepper durch die Wohnungs AG finanziell beteilige. Vorgesehen war eine Beitragsleistung von 4000 RM je Wohnung gegen Einräumung eines Vormietrechts und unter der Voraussetzung, daß sich die Wohnungs AG verpflichtete, die bereitgestellten Gelder für den Fall zu verzinsen und zu tilgen, wenn die Wohnung „mit anderen Mietern als den Gefolgschaftsmitgliedem des Reichsschleppbetriebes besetzt würden ". Nach Ansicht des Reichsarbeitsdienstes bestanden gegen die Erweiterung der Siedlung bei Steterburg grundsätzliche Bedenken wegen der Lage im Rauchschatten der Reichswerke und einer damit verbundenen Belästigung der Einwohner. Die gleichen Bedenken lagen für eine Ansiedlung bei Sauingen vor, so daß der Reichsarbeitsminister vorschlug, die Gefolgschaftsmitglieder des Reichsschleppbetriebes am Nordostrand der im Bau befindlichen Hermann-Göring-Stadt anzusiedeln.

Das Wasserstraßen-Neubauamt Braunschweig beantragte am 28. Juni 1940 den Bau von 22 Dienstwohnungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter des Schleppbetriebes in unmittelbarer Nähe des Schleppbetriebshafens. Sie wurden als kriegswichtige Wohnungsbauten (Dringlichkeitsstufe 2) anerkannt.

Der Schlackenhafen

Am 9. Mai 1938 trugen die Reichswerke den Wunsch vor, oberhalb des anzulegenden Schleppbetriebshafens eine Schiffsreparaturwerkstatt anzulegen. Über die Gestaltung der Werft wurde in einer Besprechung am 14. September 1939 zwischen den Vertretern des Reichsverkehrsministeriums und denen der Reichswerke Einigung erzielt. Die Werft sollte mit Beginn der Schifffahrt im Stichkanal in der Lage sein, Leck gewordene Schiffe an Land zu nehmen und instand zusetzen. „Die verhältnismäßige Beengtheit des Hafens und die Schwierigkeiten beim Wenden dürften des öfteren Anlaß zu Beschädigungen geben. Die Notwendigkeit zur Erzielung großer Kranleistungen bei ungeeigneten Laderäumen mit nicht eingearbeiteten Kranführer läßt ebenfalls Schiffsbeschädigungen erwarten. Ein im Hafen gesunkener Kahn könnte insbesondere bei unglücklicher Lage den Verkehr und Umschlagbetrieb zum Erliegen bringen, wenn die Werft nicht in der Lage ist, für baldige Beseitigung zu sorgen. Die nächsten Werften liegen in ca. 120 Kilometer Entfernung bei Minden bzw. bei Magdeburg. ".

Viereinhalb Monate später, am 29. Juni 1940, teilten die Vertreter der Reichswerke während einer Besprechung im Wasserstraßen-Neubauamt mit, daß beabsichtigt sei, die Schlackenverwertungsanlage in dem Raum nördlich von Beddingen unterzubringen und das im Bau befindliche Hafenbecken des Werfthafens für den Abtransport von Schlackenerzeugnissen zu verwenden . Der Werfthafen nebst Nebenanlagen müßte dann an einer anderen geeigneten Stelle errichtet werden. Vorgeschlagen wurde das Gelände auf der Ostseite des Stichkanals nördlich der Straße Steterburg - Ufingen. Im Schlackenhafen, dem ehemaligen Werfthafen, wurden im Dezember 1941 restliche Baggerungsarbeiten durchgeführt und im Mai 1942 stellten die Reichswerke den Antrag auf wasserpolizeiliche Genehmigung des Schlackenhafens.

Am 28. Oktober 1941 sank beim Beladen mit Feinschlacke im Schlackenhafen Beddingen der Schleppkahn „BREMEN 39", welcher der Bremen-MindenerSchleppschiffahrts AG in Bremen gehörte . Der Schiffsunfall war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, daß auf ausdrückliche Anordnung des Schiffsführers und entgegen dem Vorschlag des Lademeisters der Reichswerke zuerst die beiden mittleren Räume des Schiffes beladen wurden. Das Schiff wurde somit unsachgemäß belastet und an der Backbordseite im ersten Drittel des Vorschiffes geknickt. Es sank infolge des schnell in den Schiffsraum einfließenden Wassers, bevor Gegenmaßnahmen ergriffen werden konnten. Die Hebung des gesunkenen Schleppkahns erfolgte durch die Schiffseignern.

Hafen SZ-Beddingen 2012

Hafen SZ-Beddingen 2012

Der Hafen nach 1945

In den Nachkriegsjahren war die Binnenschifffahrt wegen der vielfältigen Kriegsschaden an den Kanälen nur streckenweise möglich. Dies wirkte sich auch auf den Beddinger Hafen aus - wie auch die Demontage der Reichswerke. Die ersten Transporte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren der Versand von Demontagegütern und Stammholz, als Reparationsgut für die Engländer im Harz geschlagen, zu den Seehäfen .

Im ersten Quartal 1949 wurden im Hafen Beddingen der Reichswerke 129 0001 Güter umgeschlagen, davon waren 94 000 t Kohle, die auf dem Wasserweg von der Rühr in die Reichswerke gebracht wurden. 35000 t Schlacke und Schrott wurden als Rückladung verfrachtet, 122 Lastkähne traten die Rückfahrt leer an. Im zweiten Quartal des Jahres, so eine Mitteilung der Abteilung „Schifffahrt" der Reichswerke, hatte sich der Umschlag verdoppelt, der allerdings noch deutlich unter dem Umschlag nur eines Monats aus dem Jahre 1944 lag (August 1944: 400 000 t).

Mit dem endgültigen Demontagestopp für die Reichswerke vom Januar 1951 stieg auch der Güterverkehr auf dem Stichkanal enorm an; 1956 wurden im Binnenhafen Salzgitter-Beddingen bereits 24942741 umgeschlagen, davon 1774 4611 im Empfang und 719 813 t im Versand. 4450 Schiffe führten die Transporte aus, von denen 3449 beladen ankamen und 1875 beladen abfuhren.

Anfang der fünfziger Jahre wurde auch die seit kurzer Zeit am Nordende des Hafenbeckens bestehende Reparaturwerft mit Hellinganlage vergrößert. An ersten Reparatur- und Umbauarbeiten waren auf dieser Werft unter anderem ausgeführt worden:
- Verlängerung eines kleinen Kahnes um 6 m; das Schiff wurde in der Mitte auseinander getrennt und 6 m dazwischen gebaut,
- Umbau von zwei Bauprähmen in eine Fuhrwerksfähre für die Wasserstraßen-Verwaltung Leer/Ostfriesland,
- vollständige Erneuerungen von Schiffsaufbauten wie Tennebaum, Lukendach sowie Schifferwohnungen mit Innenausbau, teilweise möbliert,
- Einbau eines 240 PS Deutz-Dieselmotors in ein Motorschiff .

Durch die Beschaffung von weiteren acht Hellingwagen war die Werft im Oktober 1951 in der Lage insgesamt drei Schiffe gleichzeitig auf Helling zu nehmen. Eine Erweiterung der Werftanlage und die Beschaffung moderner Maschinen (große Blechschere, Blechbiegemaschine) wurde beschlossen, auch unter dem Aspekt, daß auf der Strecke von östlich Minden bis, zur Zonengrenze die einzige Werft in Beddingen war. Sie hatte zudem den Vorteil, daß die zu reparierenden Schiffe beladen ankommen und nach beendeter Reparatur mit neuer Ladung abschwimmen konnten38. Mitte der sechziger Jahre waren auf der Werft noch 20 Arbeitskräfte beschäftigt.

„Nur den wenigsten Einwohnern ist bekannt", schrieb die Salzgitter-Zeitung am 19. Juli 1961, „welche Ausmaße der hiesige Hafen angenommen hat, der seit einiger Zeit unter der Bezeichnung 'Salzgitter-Hafen' zu einem der größten Umschlagplätze unter den niedersächsischen Binnenhäfen wurde. Hafenbecken Nord bei Beddingen und Hafenbecken Süd im Hüttenwerksgelände 'beherbergen ' an vielen Tagen fast hundert Schiffe, Schleppkähne und Motorschiffe. Wer zudem hört, daß hier 1960 fast drei Millionen Tonnen Güter vorladen wurden, kann leicht ermessen, welche Bedeutung diesem Hafen innerhalb der Wirtschaft Salzgitters zukommt.

An Umschlagsgeräten waren im Hafen im Jahre 1960 vorhanden: ein Portalkran (5 t Tragfähigkeit), drei Dampfkrane (je 3 */2 t Tragfähigkeit) und zwei Brückenkrane (je 10t Tragfähigkeit). Der Trend zu immer höheren Stückgewichten und die verstärkt eingesetzten größeren Schiffstypen veranlassten die Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter GmbH, den Betreiber des Hafens, die bisherigen Portalkrane im August 1976 durch einen Vollportaldrehkran für Einzelstückgewichte bis zu 50 t zu ergänzen. Der Kran wurde von der Feiner Maschinen- und Schraubenwerke AG, ebenfalls ein Unternehmen der Salzgitter-Gruppe, geliefert. „Er überspannt bei einem Eigengewicht von 170 Tonnen zwei Eisenbahngleise und übertrifft damit deutlich die Vorgängertypen an Größe und Leistungsfähigkeit. Zwei Hubwerke, eine stark verbesserte Hub-, Schwenk- und Fahrgeschwindigkeit sowie besondere Zusatzgeräte für den Umschlag spezieller Güterarten sind Merkmale dieses Kranes. Bei einer Ausladung von 25 Metern beträgt die Tragkraft noch 22 Tonnen. Der Beddinger Hafen verfügte damit über den größten stationären Kran im Dreieck Hannover-Salzgitter-Braunschweig. An das öffentliche Verkehrsnetz durch einen Gleisanschluß und eine für Tieflader geeignete Zufahrtsstraße angeschlossen, war der Beddinger Hafen für die Schwergutverladung, auch von Konstruktionsteilen, besonders gut gerüstet.

Im Zuge verstärkter Bemühungen, den Hafen Beddingen noch mehr auszulasten, schloß der Betreiber des Hafens, die P+S Verkehrsbetriebe, Anfang 1980 einen Vertrag mit dem Deutschen Container Dienst, einer Tochtergesellschaft der Hapag-Lloyd AG, der einen Umschlag von insgesamt 2000 Containern jährlich vorsah. Die erste Schiffsladung mit Containern ging im März 1980 an Bord des Binnenschiffes HAREN-EMS mit Mehl aus der Mühle Rüningen, das für den Hamburger Seehafen bestimmt war . Vier Jahre später errichtete die THS-Mineralölumschlag GmbH Tanklager KG am Beddinger Hafen sechs große Tanks für Mineralölprodukte, die Anfang März 1984 in Betrieb genommen wurden.

Im Jahre 1993 nahm der US-amerikanische Familienkonzem Cargill den Betrieb ihrer Rapsmühle und Braugerstenmälzerei am Beddinger Hafen auf, die 1996 130 Beschäftigte zählte. Im gleichen Jahr baute das Transportunternehmen Eppers, das seinen Standort in Thiede aufgeben mußte, im Beddinger Hafengebiet ein kombiniertes Verwaltungs- und Werkstattgebäude, „ um am Scheitelpunkt aller wichtigen Verkehrsträger zu liegen". In den Jahren zwischen 1980 und 1999 lag der Güterumschlag im Hafen Salzgitter-Beddingen in der Regel zwischen 2 000 000 und 2 500 000 t jährlich. Der Spitzenwert wurde im Jahre 1997 mit 2 744 700 t erreicht.

Quellen:

- vielen Dank an von Reinhard Försterling und Manfred Märländer
- Stadtarchiv Salzgitter
- an Peter (bilgenkrebs)
- Salzgitter AG

letzte Aktualisierung

11.11.2024

Suchbegriffe 2023

AV, Amsterdam, Antwerpen, Arminius Werft in Bodenwerder, Belgien, Berlin, Binnenschiff, Binnenschiffahrt, Binnenschifffahrt, Bremen, Computer Notdienst für Schifffahrt, Containerschiff, Containerschifffahrt, Dettmer Reederei, Deutschland, Donau, Dortmund-Ems-Kanal, Duisburg, Elbe, GMS, Hafen, Hamburg, Hamburger Hafen, Hannover, Koppelverband, Linden, Maersk, Main, Mannheim, Mittellandkanal, NVGH, Niederlande, Niedersächsische Verfrachtungsgesellschaft mbH, Nordhafen, PC-Soforthilfe, Pott, Reederei, Regensburg, Rhein, Rhein-Herne-Kanal, Rheinschifffahrt, Rotterdam, Schiff, Schifffahrt, Schleuse, Schuber, Schubverband, Seeschifffahrt, Steuerhaus, Wasserschutzpolizei, Weser,

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf „Alle erlauben“ erklären Sie sich damit einverstanden.